Anastasia


Die Faszination die von den Anastasia Büchern des Schriftstellers Wladimir Megre ausgeht, liegt vermutlich in dem Versprechen unbegrenzter Macht, welches an vielen Stellen der Bücher sichtbar wird. Unbegrenzte Macht und unbegrenztes Wissen werden demjenigen zuteil, der oder die in völligem Einklang mit der Welt lebt und in völliger „Reinheit“ – das ist die Kernaussage dieser Bücher. Worin diese Reinheit unter anderem besteht, darüber lässt Megre, zum Beispiel im neunten Kapitel des ersten Bandes, keinen Zweifel aufkommen. In diesem Kapitel erklärt Anastasia, dass Sex ausschließlich zum Zeugen von Kindern gedacht ist und dass die Menschen von „dunklen Mächten“ zu sexueller Lust um der Lust willen verführt werden. Solche Ideen vergiften seit Jahrtausenden unsere Zivilisation und haben uns dorthin gebracht wo wir jetzt stehen. Diejenigen, die Menschen dazu bringen sich selbst zu verleugnen und ihre Bedürfnisse zu unterdrücken oder sich andernfalls schuldig und sündig zu fühlen, sind möglicherweise die wahren dunklen Mächte.

An vielen Stellen des Buches geht es um die magischen Fähigkeiten Anastasias: sie bietet Wladimir mitten in der Taiga eine Zirkusshow mit den Tieren des Waldes, die ganz bereitwillig ihren Anweisungen folgen; mit Hilfe ihres „magischen Strahls“ manipuliert sie alle und alles um sich herum, inklusive der Gedanken anderer, weit entfernter Menschen, und sie heilt sie ganz ungefragt von ihren Krankheiten. Natürlich geschieht all das zum Besten aller – was aufgrund ihrer „Reinheit“ ja kein Problem ist.

Wie alle anderen Überlegenheitsideologien kommen auch die Anastasiabücher nicht ohne eine Herabsetzung anderer Menschen aus. Eine der Geschichten im ersten Band handelt davon, dass Anastasia sich nicht um Kleidung, Wohnung oder Nahrung kümmern muss, wie alle anderen Menschen auf der Welt es seit Urzeiten getan haben. Ihre Nahrung wird ihr von den Eichhörnchen gebracht! Die Schlussfolgerung daraus sucht an Unverschämtheit ihresgleichen: „… Menschen müssen sich um eine Bleibe und Nahrung kümmern. Die Natur hilft ihnen nicht in dem Maße, wie das bei Anastasia der Fall ist. Sogar Volksstämme, die fern von aller Zivilisation leben, haben nicht so engen Kontakt mit der Natur wie Anastasia. Ihrer Meinung nach sind diese Menschen in ihren Gedanken nicht rein genug, und die Natur und die Tiere spüren das genau.“, so die letzten Sätze des sechsten Kapitels.

Dass Menschen die sich ohnmächtig fühlen, angesichts des Zustandes unserer Welt, dieser Ohnmacht entkommen wollen, ist leicht zu verstehen. Das der Ausweg aus den Problemen unserer Welt nicht über die Ideen der Anastasiabücher führt allerdings auch.